Holzschnitte 'Gesten' 2007-2011

Geste ist Begegnung. Ein Mann, tief im Urwald des Amazonas unterwegs, sieht sich den sein Schiff in Besitz nehmenden Ureinwohnern ausgeliefert. Der sonst so Aufbrausende und Herrschsüchtige wird still. Indianer erklimmen schweigend und angespannt das Deck. Der Mann öffnet seine leere Hand und der erste Indianer erwidert die Geste mit einer überraschenden, sanften Berührung der Hand Fitzcarraldos. Andere folgen. Die erwartete feindselige oder gewalttätige Begegnung scheint abgewendet.

Die Geste zeigt sich als vielschichtiger komplexer Vorgang mit erwarteten und überraschenden Reaktionen. Eine unauffällige Geste wurde verstanden und zugleich bedeutsamer als sie der heutige westliche Kontext beurteilen würde. Überkulturell konstant erscheint eine Sprache der Gesten und zugleich spezifisch ausgeformt.

Wo Verständigung vom Wort dominiert wird, treten die Gesten zurück, verkümmern und vergröbern, aber verunsichern auch mangels Gebrauch. Andreas Rosenthal fragt in seiner Arbeit die Lebendigkeit der gestischen Bildsprache im heutigen westlichen Gebrauch ab. Dabei stößt er einerseits auf die noch unmittelbar verständlichen Gesten des Alltags, andererseits auf eine lange Bildtradition seit der Antike, die eine kanonische Formulierung versucht hat. Eine erste Verschriftlichung und Systematisierung der Hand-Bilder taucht im vierten Jahrhundert bei Prudentius auf, der in seiner „Psychomachia“ anhand der Tugenden und Laster eine kategorische Beschreibung vornimmt. Diese bilden die Kernformen noch des heutigen Gebärdenspiel. In ihnen drückt sich das Verhältnis des Gestikulierenden zur normativen Ordnung körperlich aus. Soziale Werte finden eine gestische Entsprechung. Nuancen werden darin wie die Mischtöne im Farbkreis als Ableitungen von diesen Grundgesten begreifbar, in Differenzierungen, Abschwächungen, Vermischungen.

Andreas Rosenthal stellt seine Gesten in tatsächlich holzgeschnittener realistischer Klarheit vor den Besucher. Er verweist auf sie als Instrumentarium, macht jedoch keinen erzählerischen Gebrauch von ihnen. Die Hände werden von den Körpern gelöst, separiert zum Symbol erhoben. Wie bei einem Wort ohne Satzzusammenhang, wird man hier auf den Ursprung der Gesten zurückgestoßen. Da die Erfahrung des Gestischen weitgehend nonverbal verläuft, fordern seine Bilder zum Nachmachen als Klärung und Vertiefung des Gesehenen auf. Als eine Variante dieser Beobachtung arbeitet der Künstler ebenfalls mit den Handinnenflächen, den Ausbildungen der Lineaturen in der Folge gestischer Handhaltungen. In freier spielerischer Weise kombiniert, kontrastiert und verschränkt der Künstler die verschiedenen Kommunikationsweisen miteinander und verbindet sie auch in Bildformen und mit Schrift. Handgeschriebene Wortzitate aus besonders intensiv erlebten Musikstücken von Bach und Distler etwa finden ihr Pendant im Vokabular der Gesten. Andreas Rosenthal druckt seine Holzschnittgesten in positiver und negativer Form, freistehend oder wie eingeschnitten in frei ausgewalzte Farbflächen. Im Eindruck wandelt sich damit die Darstellung graduell, nuanciert sie die Gesten.  Aber immer bleiben diese gelöst von Körpern, bleiben in der Qualität begrifflicher Schärfe und verweisen so ganz unmittelbar den Betrachter auf sich selbst und seine Erfahrung zurück.

Kurzfassung der Einführung: „die Idee ist da, sie ist in Arbeit“, 2010, Mathias Lindner, Chemnitz,
Galerie der internationalen Studios, Grimma/Kaditzsch

Kleinformat

Holzschnitt 'Gesten'
2007-2011
Holzschnitt 'Gesten'
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Holzschnitt 'Gesten'
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Mittelformat

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Großformat

Holzschnitt 'Gesten'
2007-2011
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2007-2011
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2007-2011
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2007-2011
Holzschnitt 'Gesten'
2007-2011
Holzschnitt 'Gesten'
2007-2011
Holzschnitt 'Gesten'
2007-2011
Holzschnitt 'Gesten'
2007-2011